Personalentwicklung l?uft im Mittelstand meist konservativ ab: ?blicherweise soll aus  Perspektive des jeweiligen Teams oder der jeweiligen Abteilung der Output stabilisiert oder die Effizienz gesteigert werden. Ma?geblich ist in aller Regel die Perspektive der jeweiligen F?hrungskraft und damit die Bereichslogik der jeweiligen Arbeitseinheit. Damit wird das Personalentwicklungsgeschehen bodenst?ndig und situativ. Es orientiert sich an Stabilit?t und den Anforderungen eines Unternehmensbereichs. Man baut auf diese Weise immerhin keine Luftschl?sser.

Wir haben zwei Anl?sse beobachtet, um von dieser Praxis abzuweichen. Zum einen k?nnen es sich die Menschen, die am Arbeitsmarkt besonders gefragt sind, leisten, ihre Arbeitgeberwahl von den verf?gbaren und (zumindest halbwegs) verl?sslichen Entwicklungsperspektiven abh?ngig zu machen, die sie vorfinden. Entwicklungsperspektiven tragen also erheblich zur Wettbewerbsf?higkeit am Arbeitsmarkt bei. Richtet man zum anderen die Personalentwicklung st?rker an der Perspektive des Gesamtunternehmens aus, steigt die Strategief?higkeit der Organisation und die Durchsetzungsf?higkeit der Unternehmensf?hrung, was beispielsweise in umfassenderen Ver?nderungsvorhaben von Vorteil sein kann.

Mit der Einf?hrung von Fachlaufbahnen werden fachliche Entwicklungspfade abseits des hierarchischen Aufstiegs eingef?hrt. ?blicherweise wird ein bestehendes Jobprofil oder eine bestehende Jobfamilie nach fachlichen Gesichtspunkten gegliedert, so dass mehrere Rangstufen entstehen. Die Kompetenzanforderungen zwischen der niedrigsten (?Junior?) und h?chsten Rangstufe (?Senior?) unterscheiden sich dann erheblich, Zwischenabstufungen sind m?glich. Damit Fachlaufbahnen als Organisationsprinzip Bestand haben k?nnen, ist wesentlich, dass auch die Ausstattungen, Incentives und Verg?tungsb?nder an die Stufen angepasst werden.

Die Einf?hrung von vernetzten Entwicklungspfaden abseits der Hierarchie erm?glicht es, Personalentwicklung nach fachlichen Gesichtspunkten zu strukturieren, transparenter zu gestalten und auf einen gemeinsamen Zukunftsentwurf hin zu orientieren. Kurzum: wenn ich als F?hrungskraft wei?, wo ich hin will, kann ich auch sagen, auf welche Kompetenzen und Profile es besonders ankommt. Ich kann weiterhin die Profile, die heute und zuk?nftig besonders wichtig sind, h?her bewerten, besser ausstatten und mittels Personalentwicklung unterst?tzen. Damit wei? jede und jeder, wo es hingeht und hingehen kann, was daf?r zu lernen ist und welche M?glichkeiten es gibt, um ?ber den Tellerrand der eigenen Jobfamilie zu springen. Das kommt in Bewerbungsgespr?chen gut an, schafft eine neue Art von Verl?sslichkeit und gibt den F?hrungskr?ften eine M?glichkeit, in Personalentwicklungsfragen das Wohl der Gesamtorganisation in den Blick zu nehmen. Freilich verlieren sie dadurch Einfluss und die Organisation b??t Flexibilit?tspotenziale ein. Fachlaufbahnen sind also kein Allheilmittel, sie sind vielmehr Werkzeug f?r spezifische Zwecke.

Einf?hrung von Fachlaufbahnen im ?berblick

Ein Blick in die (anonymisierte) Praxis

Die Pragmatisch GmbH w?chst aus ihren Schuhen heraus. Der knapp 100 K?pfe z?hlende Anlagenbauer mit patriarchalisch gepr?gter Kultur musste j?ngst in ein neues Geb?ude ziehen, um das kontinuierliche Wachstum abbilden zu k?nnen. Andrea Pragmatisch f?hrt die Gesch?fte des Familienunternehmens nun in dritter Generation und emanzipiert sich vorsichtig von den Vorstellungen ihres Vaters, der mittlerweile seit vier Jahren im Ruhestand ist. Und mit ihr emanzipiert sich das Unternehmen.

Der Markt des Unternehmens ist interessant genug f?r Wettbewerber, die in den meisten F?llen aber gegen?ber der Pragmatisch GmbH das Nachsehen haben, so lange das Unternehmen wirklich um den jeweiligen Auftrag bem?ht ist. Andrea Pragmatisch sorgt sich infolgedessen nicht sehr um das Kundeninteresse. Herausfordernd sind vielmehr die Stabilit?t der komplexen Planungs-, Konstruktions- und Ausf?hrungsprozesse und der Versuch, dass die Kosten zumindest halbwegs der Kalkulation entsprechen. Au?erdem gibt der Arbeits- und Ausbildungsmarkt bereits seit einigen Jahren nicht mehr das her, was man eigentlich braucht, um verl?sslich und stabil die hochgradig spezifischen Kompetenzen vorhalten zu k?nnen, zumal die Pragmatisch GmbH eher Idyllisch als metropolnah gelegen ist. Sorgenkind sind in diesem Zusammenhang vor allem die Monteure: nur f?r wenige Menschen ist der mit hohem Reiseaufkommen und eher ?berschaubaren Verdienstm?glichkeiten versehene Job interessant. Man wird schmutzig und hat bis auf wenige Vorarbeiterpositionen kaum Karriereperspektiven.

Andrea Pragmatisch m?chte das Firmenwohl nicht von dem unwahrscheinlichen Fall abh?ngig machen, dass sich der (regionale) Arbeitsmarkt von selbst wieder erholt. Sie ver?ndert stattdessen das Gesch?ftsmodell. Durch die au?erordentlich gute Positionierung des Unternehmens und den jahrelangen Kompetenzaufbau im Umgang mit ?ffentlichen Ausschreibungen scheint ihr eine neuartige Positionierung in der Wertsch?pfungskette m?glich. Ihr schwebt vor, einen erheblichen Anteil des Gesch?fts in die Plattform?konomie zu ?berf?hren: anstatt Auftr?ge zu generieren und selbst abzuarbeiten, konzentriert man sich in diesem Gesch?ftssegment k?nftig auf die Zuschl?ge und l?sst andere Unternehmen die Leistungen durchf?hren. Pragmatisch ?bernimmt die Abnahme sowie die Kommunikation mit den Auftraggebern und l?sst sich f?r Zertifizierung, Weiterbildung und begleitende Dienstleistungen von den durchf?hrenden Unternehmen bezahlen. Daraus ergibt sich nicht nur eine erheblich gr??ere Unabh?ngigkeit vom Arbeitsmarkt, das Gesch?ft wird auch viel verl?sslicher und lukrativer.

Der Umschwung ist drastisch, die Vision fordernd. Darum nimmt sich Andrea Pragmatisch viel Zeit f?r die Transformation. Fachlaufbahnen kannte sie bereits aus der Presse und von Unternehmen aus ihrem Netzwerk. Deren Einsatzzweck schien wie geschaffen f?r die Pragmatisch GmbH. In einem ersten Schritt erarbeitet sie gemeinsam mit ihrem F?hrungskreis die Strategie f?r die kommenden f?nf Jahre. Mit einfachen Trendanalysen und Ausarbeitungen des heutigen und k?nftigen Kerngesch?ftsmodells ist es vergleichsweise einfach, die wesentlichen Ver?nderungen herauszuarbeiten. Anschlie?end nimmt sich der F?hrungskreis die einzelnen Unternehmensbereiche vor und beantwortet gemeinsam die Frage, auf welche Kompetenzen und Qualit?ten es heute und in Zukunft dort besonders ankommt.

Von dort aus kann der F?hrungskreis Rahmen und Geltungsbereich der Fachlaufbahnen recht einfach eingrenzen. F?nf Jobfamilien, darunter die Projektleitung, die Konstruktion, aber auch die Programmierung, sollten aufgrund ihrer Bedeutung (f?r das Heute und Morgen) ber?cksichtigt werden. Au?erdem ist schnell klar, dass keine Gehaltsb?nder f?r die Fachlaufbahnen definiert werden. Ein wesentlicher Hintergrund besteht in der aufw?ndigen Synchronisierung mit den tarifvertraglichen Vorgaben. Nach rund sechs Monaten soll die Konkretisierungsphase abgeschlossen sein.

W?hrend dieser ersten Schritte beginnt sich Andrea Pragmatisch zu sorgen, ob die Ergebnisse wirklich fundiert und aus der Vogelperspektive des F?hrungskreises verl?sslich zu bestimmen sind. Um kritische Kompetenzen aufzusp?ren, f?hrte sie Gespr?che mit den betroffenen Teams und stellte die Frage: was unterscheidet gute Programmierende, Konstruierende oder Projektleitende von schlechten? Die Ergebnisse f?hren zu der einen oder anderen Anpassung.

Nun f?hlt sich der F?hrungskreis gut ger?stet, die Anforderungsprofile der f?nf Jobfamilien zu bestimmen. Einiges Kreisen und ?hin und her? f?hrt dann schlie?lich zu der pragmatischen Entscheidung, mit drei Stufen pro Jobfamilie zu beginnen. Unter den Programmierenden sollt es k?nftig also beispielsweise Junior-Programmierer*innen, Senior-Programmierer*innen und Experten-Programmierer*innen geben. Man hat die kritischen Kompetenzen ja bereits zur Hand, davon ausgehend geht es ans Sammeln: Worauf kommt es au?erdem an? Wodurch lassen sich Berufseinsteiger*innen, unauff?llige Mitarbeitende und solche, die einen formellen oder informellen Expertenstatus haben, gut unterscheiden. Dabei wird immer wieder geclustert und angepasst. Gerade dann, wenn die Struktur zu tragen scheint, bringt die n?chste Jobfamilie die Ordnung wieder durcheinander. Erst am Ende, als der F?hrungskreis alle Fachlaufbahnen nebeneinander legt, ergibt sich eine nachhaltig tragf?hige Struktur.

Man plant au?erdem einige Pipelines ein, um die Fachlaufbahnen miteinander zu vernetzen: von welcher Stufe welcher Fachlaufbahn ist ein Wechsel besonders g?nstig? Immer wieder stellen sich Andrea Pragmatisch und ihre F?hrungskr?fte konkrete Jobwechsel aus den vergangenen Jahren vor, um die Landkarte an die Landschaft anzupassen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang ein Gesamtbild aller Fachlaufbahnen inklusive aller Stufen. Das Ergebnis ist ern?chternd, aber solide: gerade mal vier Wechselm?glichkeiten k?nnen verl?sslich und passend zu den stofflichen Anforderungen eingeplant werden. Weitere Jobwechsel sind in der Vergangenheit nur in Ausnahmef?llen vorgekommen, die ohne au?erordentliches pers?nliches Engagement nicht denkbar gewesen w?ren.

Nachdem die Anforderungsseite strukturiert ist, wendet sich Andrea Pragmatisch gemeinsam mit ihrem F?hrungskreis der Ausstattungsseite zu. Auch in diesem Zusammenhang sorgen Gespr?che mit den Besch?ftigten f?r wichtige Impulse. Eine ?berraschung betrifft etwa die herausgehobene Bedeutung der Ausstattung mit Arbeitsmitteln in Form von Werkzeug und Dienstwagen, eine andere die Unterschiede zwischen den Jobfamilien: Die Programmierer*innen legten beispielsweise erheblich weniger Wert darauf, strategisch mitreden zu k?nnen, als die Projektleiter*innen.

Als die Konzeption steht und sich alle auch noch einige Tage sp?ter mit dem Ergebnis gut f?hlen, nimmt sich der F?hrungskreis den Einf?hrungsprozess vor. Urspr?nglich ist man von einer Pilotierung in einer oder zwei Jobfamilien ausgegangen. Das Ergebnis ist f?r den F?hrungskreis aber so ?berzeugend und scheint auch erst in seiner Vernetzung wirklich Sinn zu machen, so dass sich Andrea Pragmatisch dazu entschlie?t, ohne Netz und doppelten Boden zu starten. In einer Mitarbeiterversammlung stellt sie das Konzept vor und thematisiert Fragen wie Sorgen. Die Zuordnung von Personen zu Stufen ist Angelegenheit der unmittelbaren F?hrungskr?fte, die ihre Einordnung in Abteilungsmeetings mit ihren Teams besprechen. Anschlie?end bieten sie an, in Einzelgespr?chen ?ber die Zuordnungen zu sprechen. Dieses Angebot wird nur in wenigen F?llen in Anspruch genommen. K?nftig wird in (den bereits praktizierten) j?hrlichen Entwicklungsgespr?chen ?ber die Zuordnung und ?ber Perspektiven gesprochen.

Do?s & Don?ts

  • Untersch?tzen Sie nicht den Aufwand f?r den Einf?hrungsprozess von Fachlaufbahnen. F?r einen Prozess dieser Gr??enordnung sind wenigstens zehn gemeinsame Workshoptage einzuplanen ? Prozessanpassungen und eventuelle Kosten f?r die Ausstattung nicht einberechnet.
  • Fachlaufbahnen wirken ?ber die Personalarbeit hinaus in viele wertsch?pfende Leistungsprozesse ein, sie sind in gewisser Weise eine Form gelebter Organisationsentwicklung. Nehmen Sie sich f?r die Konzeption ausreichend Zeit und sorgen f?r angemessenen Sachverstand.
  • Idealerweise f?hren Sie die Fachlaufbahnen erst im Anschluss an eine strategische Personalplanung ein, damit nicht unbewusst andere wichtige Aktivit?ten auf der Strecke bleiben.
  • Beziehen Sie unbedingt die Bereichsleitenden in den Konzeptions- und Einf?hrungsprozess ein. Sind diese nicht abgeholt, wird der Prozess versanden.
  • F?hrungskr?fte gewinnen in diesem Prozess an Orientierung, verlieren aber an Einflussm?glichkeit. Das kann den Raum f?r innovativen Personaleinsatz und Personalentwicklungsexperimente erheblich einschr?nken. Vor allem aber funktioniert ein solcher Prozess kaum ohne eine gute und tragf?hige Arbeitsbeziehung zwischen Gesch?ftsf?hrung und nachgelagerter F?hrungsebene.
  • Mit der Einf?hrung einer Fachlaufbahn wird viel an Entwicklungsgeschehen und Leistung sichtbarer. Die resultierende Transparenz schl?gt erheblich auf die Kultur durch: Benchmark statt sozialem Druck.

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Dr. Verena Krauer Prokuristin

0711 22998-37
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