Unternehmen, welche die Digitalisierung beherzt angehen, haben es am Ende meist nicht nur mit den bew?hrten und nun digitalisierten Prozessen zu tun, sie sind hinterher vielmehr eine andere Organisation. Dieser Wandel wirkt sich erheblich auf Kultur und Identit?t, aber auch auf Zusammenarbeitsprozesse und Erwartungen an die und der Mitarbeitenden aus. Wer sich vornehmlich um die technischen und marktbezogenen Aspekte des digitalen Wandels k?mmert, mag hinterher ?berrascht sein, wie viel Organisationsentwicklung in einem Digitalisierungsprojekt stecken kann.

Dieser Umstand lie? sich w?hrend der vergangenen Monate und Jahre ja bereits an den vielerorts praktizierten Homeoffice-Modellen, dem Aufschwung virtueller Meetings und Kollaborationstools und dem damit verbundenen Wandel beobachten. Dabei wurden einige Probleme deutlicher als vorher, einige alte Probleme wurden durch neue getauscht. Viele Unbeweglichkeiten wurden beweglich und umgekehrt. Deutlich wurde w?hrend dieser Zeit aber auch: ?den Kopf in den Sand stecken? hilft wenig.

Aber was hilft in einer solchen Situation? Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Idee dar?ber hilfreich ist, worauf es f?r gew?hnlich in solchen Prozessen ankommt. Anschlie?end geht es mehr um Detektivarbeit, als um Rezepte. Ihre Mitarbeitenden sind in dieser Hinsicht wichtige Indikatoren, aber auch Adressaten des Wandels, d.h. nahezu nie sind sie alleinige Ursache problematischer Verh?ltnisse. Daher lohnt sich der Blick auf Kultur, Zusammenarbeit und Kompetenzentwicklung in digitalisierungsinduzierten Transformationen besonders.

Heart Facts der digitalen Transformation

Ein Blick in die Praxis

Ramona Stehle arbeitet als Business Expertin beim RKW Baden-W?rttemberg. Im Projekt QualiDigi hat sie viele Unternehmen im Umgang mit der Digitalisierung unterst?tzt. Wir freuen uns, dass sie uns Rede und Antwort steht.

RKW: Liebe Ramona, ihr habt Euch ja in den vergangenen Monaten und Jahren sehr intensiv mit der ?weichen Seite? der Digitalisierung besch?ftigt. Worauf kommt es dabei an?

Ramona Stehle: Ja, in unserem Projekt QualiDigi befassen wir uns mit der Frage, wie zukunftsf?hige Personalarbeit unter den Vorzeichen der Digitalisierung gelingen kann. Daher ist die Antwort einfach: es kommt auf die Menschen an. Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht. Es geht ja vielmehr um die Passung von Mitarbeitenden, Organisation und der digitalisierungsbedingten Ver?nderung. Dann landen wir schnell bei den ?Klassikern?, wie Zusammenarbeit, Personalarbeit und -entwicklung sowie einer schwer greifbaren Gr??e: der Unternehmenskultur. Nehmen wir ein h?ufiges Beispiel: man nimmt sich eine Ver?nderung vor, ein neues Produkt, einen neuen Prozess oder eben ein Digitalisierungsvorhaben. Und dann fruchtet das Ziel einfach nicht. Man ?gibt Gas?, motiviert in den Stillstand hinein und das einzige, was sich zu bewegen scheint, ist die eigene Frustration. Manchmal braucht es dann gar nicht so viel, au?er ein Gespr?ch mit Kritikerinnen und Kritikern, in dem man bereit ist, vom eigenen Ziel abzulassen, einen partizipativen Umsetzungsprozess oder eine Weiterbildung, die Mitarbeitende von der Erwartung entlastet, das Neue bereits k?nnen zu m?ssen.

Das leuchtet ein, aber wie geht Ihr ganz konkret vor, um zu den entscheidenden ?weichen? Hebeln in einem Digitalisierungsprojekt zu kommen? Das ist ja sicher individuell.

Richtig, worauf es im Detail ankommt, ist immer individuell. Allerdings gibt es nat?rlich Handlungsfelder, die uns immer wieder begegnen. Im RKW Baden-W?rttemberg arbeiten wir ja an dieser Thematik in ganz unterschiedlichen Formaten und Zusammenh?ngen ? in Arbeitskreisen und Projekten, aber auch individuell im Rahmen von Beratung, Weiterbildungen und Coachings. Entsprechend vielf?ltig sind unsere Herangehensweisen. Ich m?chte aber dennoch gerne zwei konkrete Beispiele geben, um die entscheidenden ?Heart Facts? aufzudecken. Im genannten Projekt QualiDigi setzen wir uns ? einfach gesprochen ? mit dem Management und der Personalarbeit zusammen und besprechen mithilfe einer erprobten Methodik, was entsteht, wenn man Strategisches und Personalthemen zusammen denkt. Daneben bieten wir einen Digitalisierungscheck an, der sich neben den zentralen gesch?ftlichen und technischen Thematiken auch auf weiche Faktoren bezieht. Damit entsteht schnell eine fundierte Status-quo Analyse zum aktuellen Digitalisierungsstand, ?ber den man ins Gespr?ch kommen kann.

Jetzt haben wir schon viel ?ber Formate und allgemeine Stellschrauben gesprochen und ich werde neugierig, welche ?Heart Facts? konkret auftauchen?

Seitdem Corona beispielsweise in den indirekten Bereichen zu einer Konjunktur von mobiler Arbeit und Homeoffice-L?sungen gef?hrt hat, sind in der Zusammenarbeit viele Themen aufgetaucht, die man vorher kaum besprochen hat, andere haben R?ckenwind bekommen: Wie f?hrt man auf Distanz? Wie k?nnen sich Mitarbeitende auch abseits von Meetingstrukturen austauschen? Welches Kollaborationstool passt dazu? Wie k?nnen R?umlichkeiten gestaltet werden, um hybrides Arbeiten auch k?nftig zu verankern und zu unterst?tzen? Und so weiter.

Da haben wir in den vergangenen Monaten ja sehr unterschiedliche L?sungen gesehen. Wie Zusammenarbeit im Unternehmen gelingt und was ?berhaupt m?glich ist, scheint h?chst individuell. Woran liegt das?

Naja, das, was m?glich sein k?nnte, h?ngt ja auch immer von dem ab, was ist und war. Wer vielleicht gerade ein neues B?rokonzept mitsamt neuen M?beln erarbeitet hat, tut sich vermutlich schwer, diese Ressource unbewirtschaftet zu lassen. Am schwerwiegendsten scheint aber die kulturelle Dimension zu sein: was m?glich ist, ist Frage der Kultur. Und die l?sst sich ja nun mal nicht von heute auf morgen auf den Kopf stellen.

Kultur ist ja ein weicher Begriff. Vermutlich hat jede und jeder etwas anderes im Kopf, wenn sie oder er den Begriff h?rt. Was meinst Du damit?

Unternehmenskultur ist f?r mich nicht viel mehr als ein Satz an Selbstverst?ndlichkeiten, mit denen sich ein Unternehmen davon entlastet, immer wieder alles neu abzustimmen und entscheiden zu m?ssen. Daher ist Kultur auch immer einzigartig. Gerade im Zusammenhang mit neuen technologischen L?sungen geht es dabei aber oft um Fragen von (In-)Transparenz, Regeln und dem Umgang mit Abweichungen und Fehlern, Risikobereitschaft und - aversion sowie (Nicht-)Beteiligung. So ist es beispielsweise naheliegend, dass man sich in einem Unternehmen mit risikoaverser Kultur mit Arbeitskonzepten, die auf Vertrauen setzen, eher schwertut. In einem freiheitsaffinen Unternehmen wird es hingegen mit weitreichenden digitalisierungsbedingten Prozessstandardisierungen schwieriger.

Eingangs hattest Du ja auch die Relevanz von Kompetenzentwicklung erw?hnt - auch das ist ein kulturabh?ngiges Thema, oder?

Auf jeden Fall. Und wir denken Kompetenzentwicklung in diesem Zusammenhang auch relativ breit. Uns interessiert beispielsweise nicht nur, ob die vorhandenen Kompetenzen zum digitalen Kurs passen. Wir fragen auch, ob die eingesetzten Technologien einfach bedienbar sind und die Arbeit erleichtern. Wir interessieren uns f?r Ver?nderungen in der F?hrungsrolle und wie dieser Shift unternehmensseitig unterst?tzt wird. Und hier schlie?t sich der Kreis: gerade F?hrung ist ja praktische Kulturanwendung und -ver?nderung: wer sich mit einer Ver?nderung im eigenen Unternehmen schwertut und vermutet, dass der Stillstandshase im Kulturpfeffer sitzt, reflektiert einfach seine F?hrungspraxis und wer lange genug aufmerksam beobachtet, zuh?rt und sich bespricht, wird zu dem Ergebnis kommen (m?ssen), sich selbst oder das Ver?nderungsziel anzupassen. Wichtig ist zu verstehen, dass ein Unternehmen die Kultur nicht vorgeben kann, sie aber mit einer bestimmten Einstellung der F?hrungskr?fte und den richtigen Rahmenbedingungen eine gew?nschte Kultur mitgestalten kann.

Vielen Dank f?r das interessante Gespr?ch, liebe Ramona!

Ramona Stehle ist studierte Psychologin und besch?ftigt sich seit dieser Zeit mit der Arbeits- und Organisationspsychologie. Sie ist Business Expertin f?r F?hrung & Personal bei der RKW Baden-W?rttemberg GmbH. Dort steht sie f?r die Themen F?hrung, Personalentwicklung und Personalarbeit der Zukunft in kleinen und mittleren Unternehmen, sowie f?r die Weiterentwicklung und Einf?hrung effizienter und effektiver Tools f?r den Mittelstand. Wissenschaftliche Erkenntnisse, Theorie und Praxis gehen bei ihr dabei Hand in Hand.

Mehr ?ber QualiDigi erfahren?

Auf unserer Projektwebsite erfahren Sie mehr ?ber die Ergebnisse der Pilotunternehmen und offene Trainings f?r die Qualifizierung von Personalverantwortlichen im Mittelstand zum Thema Digitalisierung.

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Dr. Verena Krauer Prokuristin

0711 22998-37
Dr. Verena Krauer

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