RATIO kompakt hat Ulrich Ackermann zu Internationalisierungs-Strategien im Maschinen- und Anlagenbau befragt. Er leitet die Abteilung Au?enwirtschaft im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dem gr??ten europ?ischen Industrieverband mit rund 3.300 Mitgliedsunternehmen.

RATIO kompakt: Sehr geehrter Herr Ackermann. Der Maschinenbau meldet wieder steigende Auftragseing?nge. Wie ist die aktuelle Lage?

Nach dem Einbruch der deutschen Maschinenbau-Produktion um zw?lf Prozent im vergangenen Jahr brachte zun?chst die starke Nachfrage aus China den Aufschwung. In den letzten Monaten hat sich die konjunkturelle Lage weltweit aufgehellt und wir rechnen f?r 2021 mit einem Produktionswachstum von 10 Prozent. Die Entwicklung in unserer Branche mit gut einer Millionen Besch?ftigten bewegt sich also in V-Form steil nach oben, im Moment eigentlich nur begrenzt durch den Mangel an Vormaterialien und Komponenten. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Trotz des Zuwachses in diesem Jahr werden wir aber 2021 noch nicht das Niveau vor der Krise erreichen.

Mit rund 80 Prozent Exportanteil sind die Maschinen- und Anlagenbauer traditionell eine exportorientierte Industrie ? was sind und waren hier die Erfolgsfaktoren?

Es gibt sicherlich viele Gr?nde f?r die Erfolge der Maschinen- und Anlagenbauer auf den Weltm?rkten. Einer ist die Spezialisierung. Zahlreiche deutsche Maschinenbauer sind in Nischen t?tig. Dort sind sie zwar h?ufig f?hrend, aber trotzdem hat man fr?h erkannt, dass der Inlandsmarkt oft zu klein ist, um eine wettbewerbsf?hige Produktionskapazit?t halten zu k?nnen ? hier kommt der Export ins Spiel. Ein zweiter Grund ist die Zyklizit?t der Investitionsg?ternachfrage: ?ber den Export in Regionen mit zeitlich versetzten Konjunkturzyklen k?nnen sich Maschinenbauunternehmen global einen gewissen Ausgleich verschaffen und so ihre heimische Produktion verstetigen. Und schlie?lich gibt es drittens die Erkenntnis, dass die Stammm?rkte h?ufig ges?ttigt sind.F?r deutsche Hersteller, deren heimischer bzw. westeurop?ischer Markt f?r Investitionsg?ter weitgehend ges?ttigt oder wegen der Abwanderung ganzer Industrien r?ckl?ufig ist, ergeben sich Expansionsm?glichkeiten oftmals allein im au?ereurop?ischen Ausland.

Ein aufkommender Ost-West-Konflikt zwischen den USA auf der einen Seite und China auf der anderen Seite und protektionistische Tendenzen in vielen L?ndern ? gef?hrden diese Entwicklungen das deutsche Exportmodell?

Der Maschinenbau als exportorientierte Industrie ist auf offene Absatzm?rkte angewiesen. Gerade mittelst?ndische Unternehmen k?nnen es sich weder finanziell noch von Managementkapazit?ten her leisten, im Ausland eigene Fertigungsst?tten aufzubauen, um damit die Importh?rden zu umgehen. Handelshemmnisse aller Art gibt es vor allem mit L?ndern, mit denen die EU keine Freihandelsabkommen abgeschlossen hat. In diesen F?llen besteht zudem die Gefahr, dass die Handelshemmnisse beibehalten werden oder sogar neue hinzukommen, wenn kein Dialog ?ber Erleichterungen gef?hrt wird. Der VDMA fordert daher, dass die EU-Politik aktiv den Kontakt zu L?ndern mit hohen Importz?llen und anderen handelspolitischen Gegenma?nahmen sucht und sich f?r L?sungen einsetzt.

Eine neue Dimension von Handelshemmnissen entsteht durch die von den USA und China vorangetriebene wirtschaftliche und technologische Entkopplung auf unterschiedlichen Ebenen. Nach einer VDMA-Umfrage vom April 2021 sind bereits heute fast die H?lfte der Maschinenbauer in China von dem Wirtschaftskonflikt zwischen China und den USA betroffen. Der Maschinenbau hat aber keine Wahl: er braucht beide M?rkte f?r sein zuk?nftiges Gesch?ft. Die USA sind der gr??te Exportmarkt des deutschen Maschinenbaus und auch der gr??te ausl?ndische Investitionsstandort und China der zweitgr??te Exportmarkt und Auslandsstandort. Wie kann Europa und die europ?ischen Unternehmen verhindern, zwischen den beiden gro?en Gegenspielern ?zerrieben? zu werden? Zum einen m?ssen die EU-Unternehmen immer Produkte und Technologien anbieten, die in den USA und China gebraucht werden. Zum anderen sollte die EU ?robuster? werden und seine Unternehmen so weit wie m?glich vor ?Economic Coercion? aus Drittstaaten sch?tzen.

Wie wichtig ist der Aufbau von Niederlassungen und eigenen Standorten im Ausland insbesondere f?r Maschinen- und Anlagenbauer mit Blick auf die Sicherung der Stammsitze in Deutschland?

?ber 100 Jahre lautete die Strategie: Ausweitung des eigenen Radius! Im eigenen Land, ?ber Landesgrenzen und Kontinente hinweg, in andere Sprachr?ume und Kulturen: Die ganze Welt ist mein Feld! Doch das reicht aber heute nicht mehr. Internationalisierung heute und in Zukunft hei?t: In den ausl?ndischen M?rkten selbst aktiv werden. Also nicht nur in diese M?rkte zu exportieren, sondern anzustreben, ein Bestandteil der ausl?ndischen Binnenm?rkte selbst zu werden. Wer sich in Zukunft ein nennenswertes St?ck vom Kuchen des internationalen Maschinenbaumarktes abschneiden will, muss schon zur Erschlie?ung und Sicherung seiner Exporte eine eigene Pr?senz vor Ort aufbauen. Die immer anspruchsvollere Kundschaft in Europa, Amerika und Asien verlangt, dass die Maschinenbauer mit einer eigenen Organisation vor Ort verwurzelt sind. Au?erdem l?sst sich so die Entwicklung unserer Zukunftsm?rkte zuverl?ssig beobachten. Und dies n?tzt auch dem Stammsitz in Deutschland. Denn die Kompetenz f?r die Kernkomponenten liegt nach wie vor im Mutterhaus und jede zus?tzlich im Ausland verkaufte Maschine sorgt damit f?r Besch?ftigung in Deutschland.

Sollten auch kleinere und mittlere mittelst?ndische Unternehmen sich mehr im Ausland engagieren? Was sind hier die H?rden?

Um mittel- und langfristig im internationalen Maschinenbauwettbewerb ?berleben zu k?nnen, ist ein zunehmendes Auslandsengagement unerl?sslich. Denn das Wachstum im Gesch?ft liegt au?erhalb der europ?ischen Stammm?rkte und die hohen Kosten der Digitalisierung im Maschinenbau erfordert eine gewisse Unternehmensgr??e, die nur durch zus?tzliches Exportgesch?ft erreicht werden kann.

Die gr??ten H?rden f?r kleinere und mittlere Unternehmen bei ihrem Auslandsengagement sind die begrenzten Ressourcen. Diese Begrenztheit zeigt sich schon bei den sogenannten ?weichen Faktoren? wie interkultureller Kompetenz und Marktwissen. Marktwissen hei?t in diesem Zusammenhang: Kenne ich eigentlich wirklich meine lokalen Kunden und Wettbewerber? Sind es z.B. in China die mir bekannten 300 potenziellen Kunden oder sind es nicht tats?chlich 3.000 oder 6.000? Auch interkulturelle F?higkeiten sind f?r den Markterfolg von hoher Relevanz. Um in den schnell wachsenden Schwellenl?ndern erfolgreich eigene Tochtergesellschaften zu leiten, ist es von gro?em Vorteil, wenn das F?hrungspersonal die gleichen unternehmerischen Grund?berzeugungen hat ? also sozusagen eine einheitliche Unternehmensphilosophie lebt. Entsprechende Mitarbeiter sind aber nicht beliebig verf?gbar und k?nnen nur mittelfristig ?herangezogen? werden. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass eine VDMA-Umfrage als gr??te Behinderung im Asiengesch?ft den Mangel an Managementkapazit?ten im weitesten Sinne ergeben hat.

Was sollte aus Ihrer Sicht beachtet werden, wenn ein Mittelst?ndler den Schritt in Richtung Internationalisierung geht? Wo gibt es Hilfen?

Die strategische Antwort f?r eine Internationalisierung lautet: Konzentration der Kr?fte. Unerl?sslich ist eine strikte Auswahl und dann Konzentration auf die jeweils wichtigsten Absatzm?rkte, und zwar aus Sicht des Unternehmens. Textilmaschinen haben nun einmal andere Absatzm?rkte als die Robotikhersteller. Deshalb relativiert die Vielfalt des deutschen Maschinenbaus generelle Aussagen und Trends, also nicht automatisch und immer China, sondern durchaus auch mal Priorit?t in Richtung ASEAN-Staaten.

Als taktische Antwort auf die Begrenztheit der eigenen Ressourcen bieten sich Kooperationen an. Das Thema ?Kooperation? ist nicht neu und l?st selten Begeisterungsst?rme aus. Dies hat gute Gr?nde, denn das Thema gilt zu Recht als schwierig oder zumindest unbequem. Vielleicht schwindet aber die Abneigung ein wenig, wenn man sich die Vielfalt und Vielschichtigkeit der Kooperationsm?glichkeiten vor Augen f?hrt. Man muss ja seinen Kooperationsversuch nicht gleich mit einem komplizierten Produktions-Joint-Venture mit einem ausl?ndischen Partner beginnen. Davor gibt es andere, einfachere Formen wie Ko-Produktion oder Lizenzvereinbarungen mit Zulieferanteil.

Mit Kooperation meine ich auch die Zusammenarbeit mit einem oder mehreren deutschen Partnern. Unter dem Motto ?Mitglieder-Netzwerk weltweit? verf?gt z.B. der VDMA ?ber eine Datenbank mit den weltweiten Auslandsniederlassungen der VDMA-Mitglieder. Sie kann genutzt werden, um Kapazit?tsreserven im Verkaufs- und Servicebereich der Auslandst?chter anderer Mitgliedsfirmen zu finden. Diese Kapazit?tsreserven k?nnten in Form eines ?Huckepack-Verfahrens? nutzbar gemacht werden.

Bei der Planung von Exportaktivit?ten sollten sich VDMA-Mitglieder nat?rlich zun?chst an uns wenden. Dar?ber hinaus helfen bei der Internationalisierung die deutschen Auslandshandelskammern sowie die Wirtschaftsdienste der Botschaften und Generalkonsulate vor Ort. Auch ?Germany Trade and Invest? (gtai) f?rdert mit ihrem Informationsangebot die Erschlie?ung neuer Auslandsm?rkte. Und schlie?lich sind Auslandsmessen sowie Symposien ein wichtiges Marketinginstrument zur Erschlie?ung neuer Kundengruppen. Hilfreich ist hier die F?rderung von Fachmessen durch den Bund und die Landesregierungen.

Das RKW BW unterst?tzt mittelst?ndische Unternehmen auch beim Thema Export und Internationales mit Unternehmensberatung und Weiterbildung. M?chten Sie sich unverbindlich informieren? Wir freuen uns ?ber Ihre Kontaktaufnahme.

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