Die Transformation unserer Wirtschaft schreitet unweigerlich voran, zugleich werden disruptive Prozesse wie Schreckgespenster an die Wand gemalt. Wie realistisch ist es, dass sie eintreten und wie sorgt man im Unternehmen vor?

RATIO KOMPAKT sprach mit dem St. Galler Professor f?r Betriebswirtschaftslehre Wolfgang Jenewein. RATIO KOMPAKT: Herr Prof. Jenewein, die Wirtschaft im Land, in Europa und weltweit steht vor gro?en Umbr?chen. Wie w?rden Sie diese beschreiben?

Die Wirtschaft ist tats?chlich im Umbruch. Wir stehen vor historischen Ver?nderungen, die alle Bereiche des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens betreffen. Haupts?chlich ausgel?st durch die Digitalisierung und die Entwicklung im Zukunftsthema K?nstliche Intelligenz werden wir in den n?chsten Jahren noch viele tiefgreifende Ver?nderungen und Umbr?che erleben. Bill Gates hat einmal gesagt, dass man die M?glichkeiten und Ver?nderungen des jeweils kommenden Jahres generell ?bersch?tzt. Im Gegenzug untersch?tzt man v?llig die Ver?nderungen, die in den folgenden f?nf bis zehn Jahren anstehen.

Sich von Gewohntem zu trennen, weil es nicht mehr tr?gt, f?llt schwer. Was raten Sie, wenn F?hrungskr?fte sich nicht so recht trauen?

Man muss verstehen und verinnerlichen, dass die Ver?nderung tiefgreifend sein wird. In der Wirtschaftsgeschichte gibt es viele Beispiele daf?r, wie Unternehmen in Umbruchzeiten erfolgreich agiert haben. Schon zu Zeiten der Industrialisierung oder mit dem Aufbau der elektrischen Energieversorgung waren immer diejenigen erfolgreich, die mutig waren. Das war nach der Erfindung des Automobils ebenso und auch 100 Jahre sp?ter, als die Digitale Revolution einen dramatischen Wandel praktisch aller Lebensbereiche ausgel?st hat. Immer wieder verschwanden Berufsbilder und T?tigkeiten, immer wieder traten neue auf den Plan. Das wird auch jetzt wieder so sein. Manche Menschen werden w?tend bei Ver?nderungen, weil der Wandel unkomfortabel ist. Andere sehen die Ver?nderung als Chance und werden mutig. Die Deutsche Wirtschaft braucht einen Mutanfall um weiter erfolgreich zu sein!

Den Markt neu denken, sagt sich leicht. Wie finden Unternehmerinnen und Unternehmer Zugang zu solchen Denkmodellen?

Wichtig ist, und das sagen auch viele Forscher, dass man damit aufh?rt, Ver?nderung negativ zu bewerten. Es ist ein ganz nat?rlicher Vorgang, dass Menschen mit zunehmenden Alter Ver?nderungen nicht m?gen. Kinder hingegen finden es interessant, wenn es etwas Neues gibt. Und: Kinder bewerten nicht.

Umbruchzeiten und Transformationsprozesse haben einen Ausgangspunkt und einen Zielpunkt. Dazwischen h?ngt die als schwierig empfundene ?bergangsphase. Menschen sind dann bereit f?r Ver?nderung, wenn man diese Phase interessant und offen gestaltet. Das bedeutet konkret: nicht alles sofort bewerten. Statt dessen den Blick schweifen lassen: Was gibt es f?r M?glichkeiten, was sind die Horizonte, wo liegen Wachstumsfelder? Ein solches Denken macht den Wandel m?glich. Es bringt Spa? f?r die Ver?nderung und dann sind die Menschen auch bereit, mitzumachen. Nur mit Druck kommt man nicht weiter. Man sollte also nicht das Neue oder den Zielpunkt beschreiben, sondern die ?bergangsphase im Unternehmen beleuchten und gestalten.

Ist es f?r Mittelst?ndler schwieriger, sich auf solche Umbruch-Szenarien einzulassen?

Das w?rde ich nicht sagen. Klar gibt es Vorteile und Nachteile, aber Mittelst?ndler sind nicht so gro? und tr?ge, sondern k?nnen schnell handeln. Je kleiner man ist, umso eher hat man die Chance, die eigene Mannschaft zu aktivieren und zu mobilisieren.Allerdings haben viele kleinere Unternehmen den Nachteil, dass sie nicht gen?gend Ressourcen haben, um in Neues zu investieren. Wenn sie auf Kante gen?ht sind, ist das schwierig. Gerade wenn sie ums ?berleben k?mpfen, braucht es Mut f?r die Potenziale, die das Neue mit sich bringt - und Unterst?tzung bei der Finanzierung.

Stichwort agile F?hrung: Inwieweit hilft sie bei solchen Prozessen, und wo ist sie wom?glich hinderlich?

Agile F?hrung an sich ist nat?rlich sinnvoll. Man muss nur aufpassen, dass sie nicht zum Schlagwort verkommt. Ich erlebe in vielen Organisationen, dass dieses Wort inflation?r benutzt wird und dann nicht mehr ihre Wirkung entfaltet - und dass die Konzepte nicht umgesetzt werden, die unter agiler F?hrung entwickelt wurden. Deshalb pl?diere ich f?r einen Ansatz, den ich "positive Leadership" nenne. Darunter verstehe ich, dass man nicht ?ber die Fehler und die Probleme in einer Organisation spricht, sondern ?ber deren Potenziale und M?glichkeiten.

In einem sich wandelnden Umfeld geht es darum, den Menschen die Wachstumsm?glichkeiten aufzuzeigen. Auch die Bereitschaft f?r Ver?nderung wird dadurch erh?ht. Das geht nur ?ber positive Bilder, positive Emotionen und eine sinnorientierte F?hrung. Positive Leadership hat Substanz, und in den Menschen werden die richtigen Talente aktiviert.

Worin liegt f?r Sie der Unterschied zwischen guten und gro?artigen Teams?

Da gibt es viele Unterscheidungsmerkmale. Um eines herauszugreifen: Gro?artige Teams zeichnen sich durch ?berdurchschnittlich hohe Eigenverantwortung und eine extreme "Ownership-Mentalit?t" aus. Darunter verstehe ich, dass die Teammitglieder nicht st?ndig nach Ausreden suchen, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Das Prinzip lautet: Wir haben keine Beschwerden, wir machen keine Schuldzuweisungen, und wir fl?chten nicht in Ausreden.Als Chef muss ich das vorleben, das ist das wichtigste. Ich muss die richtigen Leute aussuchen, die das in der DNA haben und mich von den anderen trennen. Allerdings gilt: Wenn man potenzialorientiert f?hrt, dann ?bernehmen die Mitglieder im Team auch Verantwortung.

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